
An der not der gräfenau-schule hat sich praktisch nichts geändert: schon wieder bleibt wohl ein drittel der erstklässler sitzen - news4teachers
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LUDWIGSHAFEN. ERSCHWERTER START INS LEBEN: SCHON DIE GRUNDSCHULE BEREITET KINDERN IN LUDWIGSHAFEN VIEL MÜHE. IN DER ZWEITGRÖSSTEN STADT IN RHEINLAND-PFALZ MÜSSEN ZAHLREICHE ERSTKLÄSSLER DAS
SCHULJAHR WOHL WIEDERHOLEN – WIE SCHON IM VORJAHR. DAMALS HATTE DIE SITUATION FÜR BUNDESWEITE SCHLAGZEILEN GESORGT. BILDUNGSMINISTERIN STEPHANIE HUBIG (SPD) WOLLTE GEGENSTEUERN. PASSIERT IST
OFFENSICHTLICH: ZU WENIG. In der Gräfenauschule im pfälzischen Ludwigshafen haben viele Erstklässler mit Migrationshintergrund das Lernziel auch in diesem Jahr nicht erreicht. «Im
Augenblick sind es 44 von 147 Kindern, bei denen eine Klassenwiederholung sinnvoll wäre. Allerdings müssen die Eltern damit einverstanden sein», sagte Rektorin Barbara Mächtle. Der
Schulstandort Hemshof, wo zahlreiche Migrantinnen und Migranten leben, wird von vielen als Brennpunkt oder Problemviertel bezeichnet. Die Situation in der zweitgrößten Stadt in
Rheinland-Pfalz hatte schon im vergangenen Jahr überregional für Aufsehen gesorgt. Damals mussten 39 der 126 Erstklässler das Schuljahr wiederholen. Die Probleme seien die gleichen, sagte
Mächtle. «Oft sprechen die Kinder schlecht Deutsch oder kommen aus bildungsfernen Familien – wie an vielen anderen Schulen in Ludwigshafen auch. Und es gibt das Problem, Strukturen des
Schulalltages anzunehmen, was nach einem kurzen Kita-Besuch vielen Kindern sehr schwer fällt.» «HIER BENÖTIGEN WIR DRINGEND ANDERE LÖSUNGEN, ETWA SPRACHFÖRDERLEHRKRÄFTE ODER SPRACHKURSE, DIE
DEM SCHULBESUCH VORGESCHALTET SIND» Die Rektorin betonte, es sei innerhalb der vergangenen Monate einiges passiert. «Es gab durchaus gute Angebote, zum Beispiel unterstützen Studenten der
Universität Landau die Lehrkräfte der ersten Klassen in den ersten sechs Wochen nach den Sommerferien.» Zudem bekamen die Leitungen der Grundschulen in Ludwigshafen ein Gesprächsangebot bei
der Landesregierung in Mainz. «All das löst jedoch das Problem der Sprachförderung nicht. Hier benötigen wir dringend andere Lösungen, etwa Sprachförderlehrkräfte oder Sprachkurse, die dem
Schulbesuch vorgeschaltet sind. Das ist in anderen Bundesländern auch so.» Das von der SPD-Politikerin Stephanie Hubig geführte Bildungsministerium in Mainz teilte mit, «die Situation der
Ludwigshafener Grundschulen im Allgemeinen und der Grundschule Gräfenau im Besonderen» stets im Blick zu behalten. «Die Gräfenau wird seit einem Jahr von Fachleuten eng begleitet, und es
wurden zahlreiche Maßnahmen ergriffen, um die Situation dort zu verbessern», sagte ein Sprecher. «Wir kennen die großen Aufgaben, vor denen diese Schule aufgrund ihrer herausfordernden Lage
steht, und wir sehen auch das Engagement der Schulleiterin.» Deshalb gebe es viele Unterstützungsmaßnahmen, die aber Zeit bräuchten, bis sie vollumfänglich wirken könnten. «An anderen
vergleichbaren Schulen sehen wir, dass Unterstützungsmaßnahmen trotz der Herausforderungen positive Effekte haben», erklärte der Sprecher. «Warum dies an der Grundschule Gräfenau
offensichtlich bisher nicht gelingt, werden wir intensiv analysieren und gegensteuern.» Die Entwicklung zeige erneut, dass nur eine gemeinsame Anstrengung aller Beteiligten zu Verbesserungen
führen könne. «Dies schließt neben Ministerium und Schulaufsicht die Schulleitung, die Lehrkräfte, die Eltern und das Pädagogische Landesinstitut mit ein. Alle müssen hier mithelfen, jeder
in seinem Verantwortungsbereich.» «ALL DAS WIRD IGNORIERT, OBWOHL DIE SCHULEN – NICHT NUR DIE GRÄFENAUSCHULE – NICHT ERST IN DEN ZURÜCKLIEGENDEN MONATEN UM HILFE GERUFEN HABEN» Dass
Maßnahmen wie ein «Gesprächsangebot» oder eine gerade mal sechswöchige Unterstützung durch Studierende nicht reichen werden, hatte die Ludwigshafener Oberbürgermeisterin Jutta Steinruck
schon im letzten Jahr vorhergesagt – sie trat aus Protest aus der SPD aus (News4teachers berichtete). Steinruck erklärte seinerzeit, das von einer Ampel regierte Land Rheinland-Pfalz wolle
die Situation in einer Industriestadt wie Ludwigshafen mit ihrer Sozialstruktur nicht wahrhaben. «All das wird ignoriert, obwohl die Schulen – nicht nur die Gräfenauschule – nicht erst in
den zurückliegenden Monaten um Hilfe gerufen haben.» In Richtung von Bildungsministerin Hubig hieß es in der Erklärung Steinrucks, es müsse einen Ludwigshafener Sonderweg geben. Wörtlich
sagte Steinruch damals: «Die Schulen – nicht nur die Gräfenauschule – haben in den zurückliegenden Monaten um Hilfe gerufen. Wenn Bildungsministerin Stefanie Hubig sagt, es wird keinen
Ludwigshafener Sonderweg geben, kann ich nur sagen, dass es dringend einen Ludwigshafener Sonderweg geben muss!» Die CDU-Opposition im rheinland-pfälzischen Landtag kritisierte nun, der
«Gräfenau-Krise» drohe die Wiederholung. «Die Schule braucht endlich eine verlässliche, kontinuierliche Förderung, auch mit Blick auf die Sprachförderung», betonte die Ludwigshafener
CDU-Abgeordnete und Leiterin des Arbeitskreises Bildung ihrer Fraktion, Marion Schneid. «Viele Kinder sprechen einfach zu schlecht Deutsch und können dem Unterricht so gar nicht folgen.
Direkte Hilfe und Unterstützung braucht es auch für die Lehrerinnen und Lehrer, die auf dem Zahnfleisch gehen.» Rektorin Mächtle sagte, sie sei nicht «enttäuscht» über die Lage. «Ich hoffe
weiterhin, wie alle anderen auch, dass gemeinsam mit den Schulen nach praktikablen und sinnvollen Lösungen gesucht wird. Ansonsten wird sich die Situation in Ludwigshafen nicht ändern.»
_News4teachers / mit Material der dpa_ > Brennpunkt-Grundschule Gräfenau: Mit Sechs-Wochen-Förderprojekt > („First Class“) gegen den Bildungsnotstand – reicht das?