Die gierigen brüder sklarek: berliner monopoly - ein korruptionsskandal der 20er

Die gierigen brüder sklarek: berliner monopoly - ein korruptionsskandal der 20er


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Brüder Max, Leo und Willi Sklarek kennt in Berlin Ende der Zwanzigerjahre fast jeder. Die Söhne eines russisch-jüdischen Einwanderers sind als Bekleidungsunternehmer aufgestiegen, gelten als


sagenhaft reich und spendabel. Regelmäßig tauchen die Lebemänner in den Klatschspalten der Zeitungen auf. Leo und Willi Sklarek führen ein Playboy-Leben. Nur Max, der Älteste, lebt etwas


bescheidener. Fast so, als misstraue er dem eigenen Wohlstand. Grund dazu hat er. Denn der Reichtum der Brüder ist erschlichen. Mit Korruption, Vetternwirtschaft und fingierten Rechnungen


haben sie die Stadt Berlin um viel Geld betrogen, jahrelang. Erst im September 1929 fliegen die Sklareks auf. Es ist der größte Korruptionsskandal der Weimarer Republik und weit mehr als ein


spektakuläres Verbrechen, weil auch viele Politiker in die Sache verstrickt sind. Ausgerechnet in der Zeit der Weltwirtschaftskrise unterminiert die Affäre das Vertrauen vieler Bürger in


die Demokratie. Und liefert den Nazis Stoff für ihre Propaganda. Am Anfang steht "die Seidler": Bei der Berliner Wahrsagerin sucht Max Rat, als große Geldsorgen die Brüder Anfang


der Zwanzigerjahre plagen. Schon im Krieg wurde das Geschäft der Sklareks mit Textilien schwierig; danach spitzt sich die Lage zu. Die Wahrsagerin rät Max, sich auf den Weg nach Neukölln zu


machen. Dort werde er an einer Straßenecke vor einem Kiosk einem Mann begegnen und solle ihn um Rat bitten. DIE 20ER JAHRE: ZWISCHEN EXZESS UND KRISE – WIE ÄHNLICH SICH DAMALS UND HEUTE SIND


Inhaltsverzeichnis Bei Amazon bestellen  Bei MyKiosk finden  SPIEGEL GESCHICHTE im Abo Die Episode findet sich in den "Berliner Gaunergeschichten" von Werner W. Malzacher wieder,


1970 erschienen. Demnach trifft Max an der Neuköllner Straßenecke auf Felix Kieburg, Leiter einer städtischen Bekleidungsstelle. Die beiden Männer sollen beruflich Kontakt geknüpft und auch


Freundschaft geschlossen haben. Fakt ist: Kieburg steigt 1921 zum Hauptgeschäftsführer der städtischen Kleidervertriebsgesellschaft (KVG) für ganz Berlin auf. Die KVG beliefert alle


Dienststellen mit Berufskleidung - etwa Polizei, Krankenhäuser, Altenheime, Verkehrsbetriebe und Fürsorgeämter. LIZENZ ZUM GELDDRUCKEN Diese überaus wertvolle Verbindung bringt Max Sklarek


in die Firma seines Bruders Willi ein. Der dritte Bruder, Leo, steuert 100.000 Mark in bar bei, heißt es. Von nun an geht es aufwärts für die Firma mit Sitz am Hausvogteiplatz: Die Gebrüder


Sklarek werden zunächst alleinige Lieferanten von Kieburgs städtischem Kleiderbetrieb und übernehmen ihn dann als Privatunternehmer. Es ist eine Lizenz zum Gelddrucken - fortan versorgen sie


alle städtischen Angestellten mit Uniformen, Kleidern, Mützen, Bannern, Fahnen. Bald schon gehören die Sklareks zur Berliner Oberschicht. In ihren Villen im vornehmen Westen der Stadt sind


bekannte Künstler und Sportler gern gesehen, ebenso die Spitzen der kommunalen Verwaltung und Funktionäre der Parteien. Legendär sind die Wochenendpartys der Brüder in einem vornehmen


Mecklenburger Jagdhaus. Offenbar halte es nahezu jeder Berliner für eine Ehre, wenigstens einmal zu Gast bei den erfolgreichsten Kleiderhändlern zu sein, schreibt Chronist Malzacher.


Fotostrecke Brüder Sklarek: Berlin, Hauptstadt des Verbrechens Das Hobby von Leo und Willi aber toppt alle Ausgaben: Ihre Leidenschaft sind Rennpferde, sie leisten sich einen eigenen


Rennstall, sie haben den Galopper des Jahres. 1928 räumt ihr dreijähriger Hengst Lupus bei großen Rennen reihenweise Siege ab - und hohe Preisgelder. Auch 1929 sind die beiden Brüder meist


vor Ort. Nur beim mit Spannung erwarteten Rennen zum Sainsonabschluss wundert sich das Publikum: Wo sind denn die Rennstallkönige? Rasch wird der Grund für ihr Fernbleiben bekannt: Alle drei


Sklareks sind verhaftet worden. Als Betrüger. Den ersten Verdacht schöpften zwei Buchprüfer der Berliner Stadtbank. Bei einer Routine-Überprüfung stoßen die Herren Fabian und Seidel Anfang


September 1929 auf Unterlagen der Firma Sklarek sowie auf Kredite für die Firma in Höhe von 9.664.000 Mark. Die Prüfer stutzen: So hohe Kredite - warum und wofür? Die Stadtbank-Direktoren


wiegeln ab. Alles in Ordnung, alles gedeckt, es gibt ja für alles Auftragsbelege. SCHMIERGELD AN ALLE PARTEIEN  Schon wollen es die Buchprüfer dabei bewenden lassen, da fischen sie noch


einen Beleg aus dem Bezirksamt Spandau heraus und kommen erst recht ins Grübeln. Wofür soll das Amt bei den Sklareks eine Bestellung in Höhe von 69.000 Mark aufgegeben haben? Vielleicht


steht da eine Null zu viel? Nein, es ist kein Versehen. Der Spandauer Bürgermeister lässt nachforschen. Schockierendes Ergebnis: Die angebliche Bestellung bei den Sklareks ist gefälscht. Und


nicht nur diese - teils wurden Belege komplett erfunden, teils die Beträge darauf deutlich erhöht. Jetzt wird jeder Auftrag, jede Buchung und Kreditauszahlung unter die Lupe genommen. Den


Prüfern bleibt die Spucke weg: Die vorgelegten Belege der Sklareks übersteigen die tatsächlich gelieferte Ware um das Fünfzigfache. Der Schaden für die Stadt beläuft sich auf knapp zehn


Millionen Mark. "SÜNDENBABEL BERLIN - METROPOLE DES VERBRECHENS 1918-1933" Alle vier Folgen: Samstag, 25. Januar, ab 20:15 Uhr bei  SPIEGEL Geschichte , über SKY, außerdem


jederzeit abrufbar bei SKY on demand Es muss bei diesem Betrug Hintermänner gegeben haben, und Mitwisser in den höchsten Kreisen von Stadtbank und Politik, das ist schnell klar. Ein erster


Verdacht keimte schon 1927, als die Handelskammer per Gutachten feststellte, die Stadt zahle den Sklareks überteuerte Preise für ihre Kleidung. Einen Mantel, der im Großhandel 14,75 Mark


koste, hätten sie mit 31,50 Mark verrechnet. Doch die Stadt schaltete keinen Sachverständigen ein, wie von der Handelskammer vorgeschlagen. Nun aber will die Staatsanwaltschaft das ganze


Ausmaß des Betrugs aufdecken und Preußens Landtag per Ausschuss "die Mißwirtschaft in der Berliner Stadtverwaltung" überprüfen. Es geht ans Eingemachte. Denn die Sklareks haben ihr


betrügerisches System auf menschliche Schwächen aufgebaut. Funktionäre oder Beamte nahmen Geld oder Kredite an - Rückzahlung nicht so wichtig... Oder sie ließen sich und ihre Familien neu


einkleiden. Und wer die Großzügigkeiten der Sklarek-Brüder einmal angenommen hat, hängt selbst drin und hilft, den Riesenschwindel zu vertuschen. SCHLEMMEN IN NOBELLOKALEN, DIE SKLAREKS


ZAHLEN  Leo und Willi Sklarek sind seit 1928 Mitglieder der SPD, Max gehört der linksliberalen Deutschen Demokratischen Partei (DDP) an. Doch bei ihren Schmiergeldzahlungen sind sie


politisch flexibel. Bekannt werden bald auch Spenden an die Deutschnationale Volkspartei (DNVP) und die kommunistische Rote Hilfe. Der Chefredakteur des "Berliner Tageblatts"


schreibt dazu am 13. Oktober 1929: "Die drei Brüder Sklarek kannten (...) keine Parteien mehr. Oder sie kannten alle. (...) Es wurde bei ihnen republikanisch soupiert, deutschnational


und völkisch gesoffen, kommunistisch mit Knallbonbons geknallt." Die Bestechung wirkt, wie die Ermittler herausfinden: Das Sklarek-Monopol für Texttillieferungen an städtische Betriebe


gilt bis 1935 - diesen Vertrag hat der kommunistische Stadtrat Otto Gäbel eigenmächtig verlängert. Sein Parteifreund Gustav Degner war ebenfalls am Betrug beteiligt; beide sind seit Jahren


gute Freunde und Party-Dauergäste der Brüder, wie jeder weiß. Nun aber wird klar: Ihnen gehören auch zwei von den Sklareks gefüllte Geheimkonten, "Gabriel" und "Dolch".


Für standesgemäße Sonntagsausflüge hat sich Gäbel ein Auto bezahlen lassen und auf Sklareks Kosten in Luxuslokalen geprasst. Bestimmt wollte der feine Marxist sich ein Bild vom Verfall der


kapitalistischen Gesellschaft machen, schreibt Werner Malzacher süffisant. Die KPD distanziert sich schnell und fordert Gäbel auf, Amt und Mandat unverzüglich niederzulegen, sein Verhalten


sei "parteischädigend" und "unproletarisch". Auch viele Sozialdemokraten sind in den Skandal verwickelt. Insbesondere die Freundschaft von SPD-Stadtrat Wilhelm Benecke


mit den Sklareks ist stadtbekannt; bestechen ließ sich auch der Köpenicker Bürgermeister Robert Kohl. Anders als die KPD pocht die SPD jedoch lange auf die Unschuld ihrer Mitglieder und


verliert erst Vertrauen, bei der Wahl von 1929 dann massiv Stimmen - sie erhält neun Sitze weniger im Stadtparlament und rutscht bei der Reichstagswahl 1930 um 5,3 Prozent ab. Der


prominenteste Beteiligte ist Gustav Böß, seit 1921 Berlins Oberbürgermeister. Er gilt als einer der fähigsten Politiker. Dann wird ihm ein Pelzmantel für seine Frau zum Verhängnis: Die


Brüder Sklarek hätten ihm das edle Stück geradezu aufgedrängt, sagt Böß später, zum auffällig niedrigen Preis von 375 Mark - angeblich weil man die Felle zum Schleuderpreis bekommen habe.


"SCHÖNER PELZ, DU GINGST IN FRANSEN"  Als die Betrügereien Stück für Stück ans Licht kommen, ist Böß auf Amerika-Reise. Bei der Rückkehr empfängt ihn ein Mob am Zoologischen Garten


und brüllt ihn und seine Frau mit "Schieber, Verbrecher, Lump, Gesindel, Judenknecht, schlagt ihn tot" nieder, berichtet tags drauf die "Berliner Zeitung". Böß sei vom


Pöbel so erschüttert gewesen, dass er auf dem Gang zu seiner Wohnung fast ohnmächtig wurde und gestützt werden musste. Joseph Goebbels, zu dieser Zeit NSDAP-Gauleiter in Berlin, schreibt


dazu am 1. November 1929 ins Tagebuch: "Böß ist gestern von uns Nationalsozialisten empfangen worden. Mit Schmähungen und Pfeifkonzert. So ist's recht." Der einst so beliebte


Oberbürgermeister lässt sich beurlauben und wird 1930 aus dem Dienst entlassen. Die Berliner dichten zum Abschied ein Spottlied: "Schöner Pelz, du gingst in Fransen". Nach


zweijährigen Ermittlungen beginnt im Oktober 1931 einer der größten Prozesse der Weimarer Zeit: 124 Verhandlungstage, 500 Akten, 14 Angeklagte, 23 Sachverständige, 614 Zeugen, 100.000 Mark


Prozesskosten. Mitte 1932 fällt das Urteil: vier Jahre Zuchthaus und fünf Jahre Ehrverlust für Leo und Willi Sklarek. Max Sklarek, seit Jahren nierenkrank, ist schon zu schwach, um vor


Gericht zu stehen. Ebenfalls ins Gefängnis müssen die beiden Direktoren der Stadtbank, der Köpenicker Bürgermeister, die KPD-Stadträte und der Buchhalter der Sklareks. Anzeige Boegel,


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Großstadt ereignen können. Dass er die Hauptstadt trifft, ausgerechnet in der Weltwirtschaftskrise, schwächt das Vertrauen in die Demokratie massiv. Die Historikerin Annika Klein zitiert den


Journalisten und SPD-Reichstagsabgeordneten Friedrich Stampfer: "Es entstand in der Phantasie breiter Massen das Bild einer ungeheuren Korruptionswirtschaft, in deren Mittelpunkt die


Sozialdemokratische Partei stand. Es war ein Zerrbild, in dem das viele Gute völlig verschwand, das Faule und Schlechte in ungeheurer Vergrößerung erschien." Mit gehässigen Hinweisen


auf die osteuropäisch-jüdische Herkunft der Sklareks liefert der Skandal Munition für die Nazi-Propaganda. Hitlers NSDAP schlägt daraus Kapital und zieht am 17. November 1929 mit 5,8 Prozent


der Stimmen erstmals ins Berliner Stadtparlament ein. Nach ihrer Machtübernahme im Januar 1933 knöpfen sich die Nationalsozialisten abermals die Sklareks vor, obwohl sie ihre


Gefängnisstrafen längst abgesessen haben: Das Regime lässt den Prozess gegen die Brüder aufrollen. Wenig überraschend fallen die Urteile nun deutlich härter aus; so erhält


Ex-Oberbürgermeister Gustav Böß neun Monate Einzelhaft. Leo Sklarek wird 1942 im KZ Sachsenhausen erschossen, Max 1944 im KZ Ausschwitz ermordet. Willi stirbt 1938 in Prag. NATHALIE BOEGEL,


Journalistin bei SPIEGEL TV, arbeitete schon in ihrem Volontariat als Polizeireporterin, war dann 15 Jahre lang Moderatorin und Filmautorin. "Berlin. Hauptstadt des Verbrechens"


ist ihr erstes Buch. _Anmerkung der Redaktion: In der ersten Fassung dieses Artikel wurde der erstmalige Einzug der NSDAP ins Berliner Stadtparlament mit 1932 angegeben, tatsächlich war es


bei der Wahl am 17. November 1929. Wir haben den Text entsprechend geändert._