#MeToo in der Modelbranche: »Guardian«-Recherche zu Jean-Luc Brunel - DER SPIEGEL

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Paris: In der Avenue Hoche am Arc de Triomphe befand sich die Agentur Brunels, in der Nähe auch seine Privatwohnung


»Es war wie ein Bild aus der Renaissance: Unterwäsche, Nacktheit, Kokain, die Leute hatten Sex.« So erinnert sich das frühere Model Lynn Wales an die Szenerie, die sie im Pariser Apartment


des mächtigen französischen Agenten Jean-Luc Brunel im Jahr 1982 beobachtet hatte. »Es war wie eine Orgie«, sagt Wales rückblickend.


Die Schottin war damals 14 Jahre alt, Brunel hatte ihr wie vielen anderen Mädchen und jungen Frauen Werbekampagnen für die damals angesagte Modefirma Benetton und Covershootings für die


Modebibel »Vogue« versprochen. Doch die Hoffnung auf Glamour verflog schnell, als Wales in Paris ankam. Was sie beim ersten Besuch bei Brunel vorfand, war ein Luxusapartment, »gefüllt mit


alten, fetten Männern.«


Für die Autorin des Reports, die Journalistin Lucy Osborne, verkörperte Brunel eindeutig das Herz eines Netzwerks im Umfeld der Modebranche, das längst noch nicht ausreichend ausgeleuchtet


ist. Zu diesem Netzwerk gehörte demnach auch der US-Multimillionär und Finanzinvestor Jeffrey Epstein, der sich in Folge des Missbrauchsskandals um seine Person im August 2019 in Haft das


Leben nahm.


Jeffrey Epstein, 2017 nach seiner Verhaftung: »Als erstes muss ich herausfinden, ob du gut küssen kannst.«


New York State Division of Criminal Justice Services/Handout via REUTERS


Auch Brunel beging im Gefängnis Suizid: Am 19. Februar dieses Jahres fand man ihn tot in seiner Zelle, zuvor hatte er 14 Monate aufgrund einer Anklage wegen Vergewaltigung und sexueller


Belästigung in Untersuchungshaft gesessen. Er hatte stets bestritten, Teil des Sex-Ringes um Epstein gewesen zu sein.


Der Bericht im »Guardian« widerlegt nun diese Behauptung. Zu Wort kommt auch das kalifornische Ex-Model Courtney Soerensen, sie war 19 Jahre alt, als sie 1988 in Frankreich mit Brunel in


Kontakt kam. Sie erzählt, dass sie nicht nur seinen Übergriffen ausgesetzt war, sondern dass er sie als eine Art Zuhälter auch seinen einflussreichen Freunden zuzuführen versuchte.


Courtney Soerensen: Fake-Treffen mit »Top-Film-Agent« Epstein


Auf diese Weise lernte sie auch Epstein kennen, der ihr damals als »Top-Film-Agent« vorgestellt worden sei. Soerensen, heute 53 Jahre alt, erinnert sich, wie sie den Multimillionär in seinem


Luxus-Apartment am Champs-Élysées traf. Demnach hatte Epstein einen Video-Mann dabei, um eine Probeaufnahme anzutäuschen. »Als erstes muss ich herausfinden, ob du gut küssen kannst und


leidenschaftlich genug bist«, soll Epstein zu Soerensen gesagt haben. »Wir bereiten einen Film mit vielen Liebesszenen vor, deshalb müssen wir sicher gehen, dass du den passenden Körper hast


und du uns zeigen kannst, zu was du fähig bist.«


Soerensen konnte sich durch Flucht aus dem Apartment retten. Der Vorfall zeigt, wie eng die Modelagentur von Brunel mit Epsteins Kosmos verknüpft war. Das erste Mal begegnet sind sie sich


durch die Vermittlung von Ghislaine Maxwell, die später als Vertraute Epsteins als Mittäterin verurteilt wurde.


In den Neunzigern verfestigte sich die Verbindung zwischen Epstein und Brunel. Laut »Guardian« soll abgesehen von Maxwell Anfang der Nullerjahre niemand anderes so häufig in Epsteins »Lolita


Express« genannten Privatjet mitgeflogen sein. Später baute Brunel mit dem Geld seines reichen Freundes den US-Ableger der Karin-Agentur auf.


Unter anderem soll Epstein mit einem Millionenkredit für Brunels Unternehmen gebürgt haben. Mit dem Geld soll Brunel vor allem Visa und Reisen für ausländische Models bezahlt haben – die er


auf Partys und arrangierten Treffen dann wieder Epstein zuführen konnte.


Paris: In der Avenue Hoche am Arc de Triomphe befand sich die Agentur Brunels, in der Nähe auch seine Privatwohnung


Jeffrey Epstein, 2017 nach seiner Verhaftung: »Als erstes muss ich herausfinden, ob du gut küssen kannst.«


New York State Division of Criminal Justice Services/Handout via REUTERS


Courtney Soerensen: Fake-Treffen mit »Top-Film-Agent« Epstein