Überstunden trotz Kurzarbeit: Was Arbeitnehmer tun können - DER SPIEGEL

Überstunden trotz Kurzarbeit: Was Arbeitnehmer tun können - DER SPIEGEL


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Kurzarbeitsbetrug in der Firma: Soll man den Chef konfrontieren, wenn er gegen geltendes Recht verstößt? (Symbolbild)


"Die Firma, in der ich befristet angestellt bin, war von März bis Mai in Kurzarbeit. Ich selbst wurde auf 50 Prozent Arbeitszeit gestuft. Die Arbeit wurde aber nicht weniger, sondern mehr -


weil wir Corona-bedingt sehr viele Projekte umdenken und überarbeiten mussten. Mein Arbeitgeber hat mich daher die meiste Zeit weiter in Vollzeit arbeiten lassen, teilweise sogar noch mehr.


Meine so entstandenen Überstunden wurden nicht vergütet. Ich sollte sogar einen Zettel unterschreiben, der bestätigte, dass ich während der Kurzarbeit nur die Hälfte meiner regulären


Arbeitszeit gearbeitet hätte. Dürfen die das? Und falls nicht: Was kann ich tun? Ich habe Angst, dass mein Vertrag nicht verlängert wird, wenn ich mich gegen solche Forderungen wehre."


Frisch immatrikuliert oder neu im Job: Gerade wer ganz am Anfang steht, erlebt häufig Situationen, in denen er sich von der Chefin, dem Professor oder dem Bafög-Amt ungerecht behandelt oder


gar betrogen fühlt – aber nicht weiß, wie er damit umgehen soll. In dieser Reihe stellen Leserinnen und Leser die Frage »Dürfen die das?«, Expertinnen und Experten antworten ihnen.


Ihre Frage lässt sich mit einem einfachen "Nein, die dürfen das nicht!" beantworten. Die Anordnung von Kurzarbeit und der Bezug von Kurzarbeitergeld unterliegen rechtlichen Vorgaben. So darf


Ihr Arbeitgeber die Kurzarbeit zum Beispiel nicht einseitig anordnen. Vielmehr müsste eine arbeits- oder tarifvertragliche Regelung mit dem Betriebsrat oder - wenn ein solcher nicht


vorhanden ist - mit den betroffenen Mitarbeiterinnen getroffen worden sein, die ihn zur Anordnung von Kurzarbeit berechtigt.


Alexander Oberreit ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und Chief Customer Officer (CCO) sowie Partner der Wirtschafts- und Steuerkanzlei BRL am Standort Hamburg.


Wenn Ihr Arbeitgeber falsche Angaben macht - in seiner Anzeige über den Arbeitsausfall oder im Leistungsantrag gegenüber der Agentur für Arbeit - kann er sich unter anderem wegen Betrugs (§ 


263 StGB ) oder Subventionsbetrugs (§ 264 StGB ) strafbar machen.


Aber Vorsicht, auch Sie als Arbeitnehmerin können sich theoretisch der Beihilfe schuldig machen, wenn Sie beispielsweise wissentlich falsche Arbeitszeiten dokumentieren.


Sie sollten es strikt ablehnen, wahrheitswidrige Arbeitsaufzeichnungen zu unterschreiben, und Ihren Arbeitgeber auf die strafrechtliche Relevanz hinweisen. Wenn Sie Ihren Arbeitgeber - aus


Angst vor möglichen Konsequenzen - nicht direkt darauf ansprechen können oder wollen, sollten Sie sich zunächst an den Betriebsrat, einen Anwalt oder sogar beide wenden und das weitere


Vorgehen besprechen.


Übrigens: Wenn Ihr Arbeitgeber Ihren befristeten Arbeitsvertrag nur deshalb nicht verlängert, weil Sie ihm gegenüber Ihre Rechte ausgeübt haben, kann darin eine von § 612a BGB  verbotene


Maßregelung liegen. In einem solchen Fall könnte Ihnen gegebenenfalls eine Schadensersatzforderung von Ihrem Arbeitgeber zustehen. Für die geleisteten Überstunden während der Kurzarbeit


haben Sie grundsätzlich Anspruch auf Lohnzahlung durch Ihren Arbeitgeber, die sich am Arbeitsvertrag orientiert. Allerdings vermindert sich dadurch Ihr Anspruch auf Kurzarbeitergeld.


Bitte beachten Sie, dass es sich hierbei nur um eine allgemeine rechtliche Einschätzung handelt, basierend auf den von Ihnen mitgeteilten Informationen. Für eine abschließende rechtliche


Beurteilung ist eine umfassende anwaltliche Beratung unerlässlich.


*Die Namen der Fragenden werden in dieser Reihe grundsätzlich geändert, damit sie keine Nachteile fürchten müssen.


Kurzarbeitsbetrug in der Firma: Soll man den Chef konfrontieren, wenn er gegen geltendes Recht verstößt? (Symbolbild)