
„eine partei, an der keiner mehr vorbeikommt“: berliner linke wählt wolter und schirmer zu ihren landesvorsitzenden
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Auf ihrem Parteitag beschwören die Delegierten Optimismus. Gemeinsam stehen sie gegen die schwarz-rote Koalition, doch innere Konflikte sind weiter sichtbar. Mit frischem Selbstvertrauen und
weitgehend guter Laune hat sich die Linke Berlin bei ihrem Parteitag am Sonnabend auf den Weg bis zur Abgeordnetenhauswahl 2026 eingeschworen. Die Delegierten wählten als neue
Landesvorsitzende Kerstin Wolter und Maximilian Schirmer, der bereits zuvor Co-Parteichef war. Wolter wurde mit 71,9 Prozent der Stimmen gewählt, Schirmer, der die Partei bereits zuvor
führte, mit 61,9 Prozent. An der Wahl beider Kandidaten zweifelte vorher kaum einer, das eher moderate Wahlergebnis für beide zeigt aber, dass durchaus Vorbehalte bestehen. 2023 hatte
Schirmer noch 73,4 Prozent, seine nun nicht mehr angetretene Co-Chefin Franziska Brychcy 85 Prozent der Stimmen erhalten. „Wir werden eine Partei aufbauen, an der keiner mehr vorbeikommt“,
kündigte Schirmer an. Sie wolle „der traurigen Politik von Schwarz-Rot eine Politik für ein gerechtes, für ein solidarisches Berlin entgegensetzen“, versprach Wolter. Als stellvertretende
Landesvorsitzende wurden die Berliner Abgeordnete Elif Eralp (72 Prozent) sowie Ongoo Buyanjargal (56,7 Prozent), Martin Neise (56,7 Prozent) und Martha Kleedörfer (61,59 Prozent) gewählt.
Die durchweg eher schwachen Wahlergebnisse zeigen, dass die Partei trotz der positiven Stimmung am Sonnabend in puncto Geschlossenheit noch einen Weg zu gehen hat. Empfohlener redaktioneller
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für seine Arbeit in dem Amt belohnt, dass er bereits vorher kommissarisch bekleidete. Zuvor hatten die Delegierten mit nur wenigen Enthaltungen und ohne Gegenstimme den vom Landesvorstand
eingebrachten Leitantrag beschlossen. Darin setzt sich die Partei zum Ziel, bei der Wahl 2026 zur stärksten Kraft in Berlin zu werden und sich auf dem Weg dahin deutlich gegen die
Sparpolitik der schwarz-roten Regierung zu positionieren sowie weiterhin einen Schwerpunkt auf Mieten- und Wohnungspolitik zu legen. Aus dem überraschenden Wahlerfolg bei der Bundestagswahl,
bei der die Linke in Berlin stärkste Kraft wurde, leitet die Partei den Auftrag ab, sich die Stadt „zurückzuholen“. Ein Änderungsantrag, der aus dem Wahlergebnis auch einen Auftrag zur
Regierungsbereitschaft ableiten wollte, wurde auf Vorschlag des Landesvorstands mit großer Mehrheit abgelehnt. Aus dem guten Ergebnis ergebe sich vor allem die Aufgabe, mit den Berlinerinnen
und Berlinern zu „kämpfen“, sagte Geschäftsführer Bjoern Tielebein vor der Abstimmung. Ob sich daraus ein Regierungsauftrag ergebe, werde man dann sehen und bewerten, wenn es so weit sei.
Die Frage, ob die Linke in Zukunft für linke Regierungsmehrheiten zur Verfügung steht, wurde damit vertagt. GEGEN DIE BERLINER „KAHLSCHLAGKOALITION“ Nach dem vergangenen Parteitag, der nach
einer Debatte über Antisemitismus im Eklat geendet und mehrere Parteiaustritte prominenter Mitglieder zur Folge hatte, übte sich die Partei in Selbstvergewisserung, dass nun – auch mit einer
Verdoppelung der Mitgliederzahlen – eine neue, erfolgreiche Zeit angebrochen sei. Heftige Kritik gab es an der schwarz-roten Landesregierung. Schirmer sprach von einer
„Zerstörungskoalition“, die Berliner Abgeordnete Katina Schubert von einer „Kahlschlagkoalition“. Die Stadt werde „systematisch“ gegen die Wand gefahren, die Stimmung in dieser Stadt befinde
sich „irgendwo zwischen Siedepunkt und Resignation“, sagte Schirmer. Armut nehme zu, die Obdachlosigkeit sei flächendeckend, führte Schirmer aus. In der Wohnungs- und Mietenpolitik versage
der Senat, betreibe zudem sozialen Kahlschlag. Folge seien Frust und Politikverdrossenheit. Sozialpolitikerin Schubert warf der Koalition vor, nichts von dem gehalten zu haben, was sie
versprochen habe. „Sie machen Politik gegen die, die keinen reichen Geldbeutel haben“, sagte sie. Mehrere Redner rieben sich insbesondere an der SPD. „Mehr als heiße Luft hat die SPD nicht
anzubieten“, sagte die scheidende Vorsitzende Franziska Brychcy. Seit zwei Jahren fordere sie die Privatisierungsbremse in der Verfassung, passiert sei nichts. DEBATTE ZU NAHOST – DIESMAL
OHNE ESKALATION Wie erwartet, waren der Krieg im Nahen Osten und der Umgang mit Antisemitismus ein bestimmendes Thema, anders als in der Vergangenheit eskalierte die Debatte aber nicht. „Der
7. Oktober war ein Verbrechen, der Krieg in Gaza war es auch. Wir als Linke müssen immer beides nennen“, sagte die neue Vorsitzende Wolter in ihrer Bewerbungsrede. Sie betonte, der Schutz
jüdischen Lebens sei für die Partei zentral. Sie sagte auch: „Wer Palästinenserinnen und Palästinenser pauschal verurteilt oder ihre Stimmen unterdrückt, der spaltet diese Stadt.“ Auch die
Bundesvorsitzende Ines Schwerdtner ging in ihrer Rede auf das Thema ein. Der Kampf gegen „alle Arten der Entmenschlichung“ dürfe sich weder „im Ringen um Definitionen“ erschöpfen, noch „zum
Mittel staatlicher Repression werden“, sagte sie mit Blick auf einen umstrittenen Beschluss beim Bundesparteitag am vergangenen Wochenende. Dabei ging es darum, welche
Antisemitismus-Definition für die Partei gelten solle. Bei aller Kritik am „wahnsinnigen Krieg, den Israel gegen die palästinensische Bevölkerung“ führe, setze die Partei jüdische Menschen
nicht mit einer „rechtsnationalen, in Teilen sogar faschistoiden israelischen Regierung“ gleich, sagte Schwerdtner. Dem Schutz des jüdischen Lebens stehe insbesondere 80 Jahre nach der
Befreiung vom deutschen Faschismus eine besondere Rolle zu. > Es darf nicht sein, dass jüdische Menschen jetzt das Gefühl haben, > sich nicht auf unseren Schutz verlassen zu können.
SHAKED SPIER, Parteimitglied Dass die Meinungen teils sehr weit auseinandergehen, zeigten zwei aufeinanderfolgende Beiträge zu dem Thema. „Auch ein sachlich richtiger Beschluss kann
politisch problematisch sein“, sagte Parteimitglied Shaked Spier und berichtete von besorgten Nachrichten von jüdischen Freuden. „Es darf nicht sein, dass jüdische Menschen jetzt das Gefühl
haben, sich nicht auf unseren Schutz verlassen zu können“, sagte er. „Wir gehören jetzt zu denen, die Antisemitismus politisch instrumentalisieren, anstatt konsequent zu bekämpfen.“ Allen,
die an der Eskalationsspirale drehten, sage er: „Hört sofort damit auf!“ Sarah Niedrich vom Studentenverband der Linken (SDS) wiederum lobte den „wichtigen Beschluss“ des Bundesparteitags
zur Antisemitismus-Definition. Sie kritisierte die deutsche Regierung, mit Waffenlieferungen an Israel „den Genozid an der palästinensischen Bevölkerung“ zu unterstützen. Zudem kritisierte
sie als „falsche Entscheidung“, dass Ramsis Kilani aus der Partei ausgeschlossen wurde. Als Reaktion gab es vereinzelte Jubel- aber auch Buhrufe. Der Anti-Israel-Aktivist Kilani war Ende des
vergangenen Jahres aus der Partei ausgeschlossen worden. Nach Ende der Generaldebatte wies Noch-Parteichefin Brychcy darauf hin, dass sowohl das Existenzrecht Israels als auch die Forderung
nach einem palästinensischen Staat Beschlusslage der Partei seien. _(mit dpa)_