Wiedereröffnung im nirgendwo: die wassermusik der malediven

Wiedereröffnung im nirgendwo: die wassermusik der malediven


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Nach fast einem Jahr Umbau hat das W Hotel in den Malediven wiedereröffnet. Es ist eine Rhapsodie in Blau-Weiß geworden. Zuerst ist es eine Irritation, dann eine Erkenntnis: Überall spielt


Musik. Bossanova summt aus den Lautsprechern, die sich unter den Brettern am Überwassersteg verstecken. Muntermacher-Pop dröhnt aus den Boxen am Pool, wo der Fitnesstrainer auf dem Trampolin


übt. Disco-Funk legt die DJane hinter der Bar auf, während die Kellner Wassermelonen-Gazpacho servieren. Es scheint, als würde man die Urlauber vor der Stille des Indischen Ozeans und den


Abgründen ihrer eigenen Gedanken beschützen. Ferien ohne Soundtrack erleben? Im W Maldives undenkbar. Das Hotel liegt 20 Minuten Wasserflugzeug-Transfer von der Hauptstadt Malé entfernt, die


Resort-Insel hat erst vor einigen Wochen wieder eröffnet. Zehn Monate lang haben Handwerker, Maurer und Tischler die 2006 errichtete Anlage runderneuert, 46 Overwater-Villen schlängeln sich


ins Meer, 28 Bungalows verstecken sich am Strand, dazwischen haben noch drei Restaurants und ein großer Swimmingpool Platz. Das alles hat das Management getan in der Hoffnung, kein


One-Hit-Wonder der Reisebranche zu werden. Nichts verblasst schneller als der gute Ruf – und den besaßen W Hotels um die Jahrtausendwende. Die junge Hotelgruppe setzte auf Wohnzimmer-Feeling


mit Clubprinzip. Junge, halbwegs vermögende Menschen tanzten, tranken und turtelten in der Lobby, um danach in eines der Zimmer zu verschwinden. Funky People, funky Hotels. Seit März


übernachten die Malediven-Reisenden in weiß getünchten Hütten mit heller Holzverkleidung und strohgedeckten Dächern. Tropische Moderne mit Gimmicks. Die Überwasser-Unterkünfte haben ein


Guckloch im Boden, durch das Gäste das Türkisblau unter ihnen bestaunen. In allen Badezimmern stehen Wannen aus Buntglas. Es wird zwar selten darin gebadet, heißt es auf Nachfrage bei der


Rezeption, aber viel darin fotografiert für Instagram. Klack, klack, klack. Das ist der Rhythmus, bei dem die Branche mitmuss. Empfohlener redaktioneller Inhalt An dieser Stelle finden Sie


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Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können. Hört sich so der zeitgenössische Sound of Music an? Falls ja, dringt die Playlist nie aggressiv ins Unterbewusstsein ein. Die


Laptop-Bienen an der Open-Air-Bar tippen weiter auf ihren Geräten, während Elektro über sie hinweg rieselt. Manche reden konzentriert auf den Bildschirm ein – und man fragt sich ernsthaft,


warum jemand seinen Jahresbonus für das Hotel ausgibt, um mittags schnell noch einen Zoom-Call mit London, New York, Singapur abzuhalten. Ein Lachen vibriert in der Luft. Pärchen stehen im


Wasser, Schirme schützen sie vor UV-Strahlen, sonnenblumengelbe Drinks schwimmen in den Gläsern. Work hard, party hard. Vielleicht lautet das Motto der Mittdreißiger noch so, früher hatten


die W Resorts diesen Ruf. Heute will man sich davon distanzieren. Lieber zur Völkerverständigung unter Kokospalmen beitragen. Engländer schwatzen neben Russen, physisch so nah nebeneinander


wie selten in den vergangenen Jahren – und der einhelligen Meinung, das gute Leben zu genießen. Mit Schnorchelgängen, Kanuausflügen und Cocktails im Schwimmbecken. Das große W auf dem Dach –


oder wie hier an der Anlegestelle – stand einst als Erkennungszeichen für Innovation. Bis man diese Idee von Luxushotel mit Club und Lounge in jede Ecke der Welt transportierte und hübsch


verwässerte. Andere Marken befeuern inzwischen den Community-Gedanken, kletten sich an digitale Nomaden mit mehr Einkommen als Verstand. Der Gedanke, sich im gesitteten Rahmen daneben zu


benehmen, hat jedoch bis heute überlebt. Morgens barfuß im Seidenpyjama zum Frühstücksbüfett gehen, mittags seine Pasta mit den Füßen im Wasser essen, kurz vor dem Sundowner noch auf


rostfreiem Stahl ins lauwarme Nass plumpsen – und zwar auf einer Rutsche, die als überdimensionaler Absatzschuh im Pool steht. Das Kind im Urlauber jubelt. Das Resort soll neue Töne setzen,


als erstes von einer ganzen Reihe von Umwälzungen will es die solventer gewordene Klientel ansprechen. Feiern ja, aber bitte nicht zum Umfallen im Puderzuckersand. Den unterirdischen


Nachtclub hat das Hotel geschlossen und baut nun einen Weinkeller hinein. Open-Air-Partys finden einmal im Quartal statt, um fünf Uhr nachmittags und auf einer dem Resort vorgelagerten


Insel. Selbst Kinder sind inzwischen im Hedonismusparadies willkommen. Der Spielplatz der Eltern wird zum Sandkasten des Nachwuchses. Ganz andere Melodien bietet das Meer. Es rauscht


hypnotisch, selbst mit Maske und Schnorchel hört man es noch. Bis zu zehn Gäste haben Platz auf dem Boot, das einmal am Tag 20 Minuten zu einer benachbarten Lagune düst und dort die Urlauber


im Ozean schweben lässt. Der Kick daran: Meterlange Ammenhaie und Stachelrochen schwimmen um sie herum. Harmlose Meeresbewohner, die naturentfremdeten Großstädtern ordentlich Schiss machen.


Das Blut pumpt, aufgeputscht durch das Da-dum-da-dum im Kopf: „Der weiße Hai“ planscht im Unterbewusstsein mit. Abends liegen die Ausflügler ermattet auf der Terrasse, wenn die Sonne nicht


mehr so unbarmherzig knallt und Palmen ihre Schatten auf die Strandvillen werfen. Abebben der Spannung, fernes Klimpern der Wellen – und plötzlich: herrliche Stille.