
„express-einbürgerung war irrweg“: dobrindt will schnellere staatsbürgerschaft wieder abschaffen
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Auf die Sofortmaßnahmen an den Grenzen folgen nun die ersten Gesetze: Innenminister Dobrindt drückt bei der Umsetzung der Migrationsvorhaben aus dem Koalitionsvertrag aufs Tempo.
Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) will am Mittwoch im Kabinett einen Gesetzentwurf zur Abschaffung der von der Ampel-Regierung eingeführten beschleunigten Einbürgerung vorlegen.
„Die Express-Einbürgerung nach drei Jahren Aufenthalt war ein Irrweg“, sagte Dobrindt der „Bild“-Zeitung am Dienstag. „Wir beenden den jetzt. Die deutsche Staatsbürgerschaft muss am Ende
eines Integrationsprozesses stehen und nicht am Anfang“, so Dobrindt. Die Ampel-Regierung hatte im vergangenen Jahr ein neues Staatsbürgerschaftsrecht in Kraft gesetzt. Bei „besonderen
Integrationsleistungen“ ist seitdem eine Einbürgerung bereits nach drei Jahren möglich. Dies können etwa gute Sprachkenntnisse, ehrenamtliches Engagement oder sehr gute Leistungen in Schule
oder Beruf sein. Generell wurde die Frist für einen Antrag auf Einbürgerung von acht auf fünf Jahre gesenkt. Dobrindt erhofft sich von der erneuten Gesetzesänderung nach eigener Aussage auch
einen Rückgang der Asylbewerberzahlen. Die beschleunigte Einbürgerung habe „zusätzlich falsche Anreize für illegale Migration gesetzt“, sagte er der „Bild“. „Wir reduzieren diese
Pullfaktoren.“ Drei Jahre in Deutschland zu leben sei zu kurz, „um sich in die Lebensverhältnisse in Deutschland integrieren zu können“, sagte der CSU-Politiker. Ziel sei es, „die Bedeutung
des im Inland rechtmäßig zurückgelegten Aufenthaltes als zentrale und wesentliche Einbürgerungsvoraussetzung zu stärken“, heißt es in dem Referentenentwurf, über den zuerst die „Zeit“
berichtet hatte. Er wurde bereits den Ländern zugeleitet, die bis Montag Zeit zur Stellungnahme hatten. Dobrindt will das Gesetz noch vor Beginn der Sommerpause am 11. Juli durch Bundestag
und Bundesrat bringen. Damit wird ein Punkt aus der von SPD, Grünen und FDP verabschiedeten Reform des Staatsangehörigkeitsrechts rückgängig gemacht. An der Reduzierung der Wartefrist für
normale Einbürgerungen von acht auf fünf Jahre und an der Erlaubnis für den Doppelpass, die von der Ampel ebenfalls beschlossen worden war, wollen CDU, CSU und SPD laut Koalitionsvertrag
aber festhalten. DOBRINDT WILL AUCH FAMILIENNACHZUG AUSSETZEN Drei Wochen nach dem Start der schwarz-roten Regierung legt der Innenminister dem Kabinett am Mittwoch damit die ersten
Gesetzentwürfe zur Begrenzung der Migration nach Deutschland und zur Einbürgerung vor. Neben der Abschaffung der beschleunigten Einbürgerung soll der Familiennachzug für Flüchtlinge ohne
Asylstatus ausgesetzt werden. Auf beides hatten sich Union und SPD in ihren Koalitionsverhandlungen verständigt. Die Aussetzung des Familiennachzugs betrifft Menschen, die zwar kein Asyl und
keinen Flüchtlingsschutz in Deutschland bekommen, aber trotzdem hier bleiben dürfen, weil ihnen in ihren Heimatländern beispielsweise politische Verfolgung, Folter oder die Todesstrafe
droht. Sie sollen zwei Jahre lang keine Familienangehörigen mehr nach Deutschland holen dürfen. Härtefälle sind ausgenommen. „Bisher konnten 1000 Personen pro Monat nach Deutschland
nachgezogen werden. Damit ist jetzt Schluss“, sagte Dobrindt der „Bild“. Der Familiennachzug für Flüchtlinge ohne Asylstatus war bereits von März 2016 bis Juli 2018 von der damaligen
schwarz-roten Koalition ausgesetzt worden. Begründet wurde dies seinerzeit mit der Absicht, eine Überlastung bei der Aufnahme und Integration zu vermeiden. Seit August 2018 dürfen monatlich
1000 Menschen als Angehörige von Menschen mit diesem Schutzstatus einreisen. KIRCHEN PROTESTIEREN GEGEN DOBRINDTS PLÄNE Der Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP von 2021 sah zwar
eigentlich vor, dass der Familiennachzug auch für Menschen aus dieser Gruppe wieder unbegrenzt möglich werden soll. Umgesetzt wurde dieses Vorhaben aber nicht. Mehr als 30
Nichtregierungsorganisationen haben an die Bundesregierung appelliert, ihre Pläne zur Einschränkung des Familiennachzugs für Flüchtlinge fallen zu lassen und ihn stattdessen auszuweiten.
Auch die Kirchen protestieren vehement gegen die geplante Aussetzung des Familiennachzugs. „Eltern und Kinder gehören zusammen. Geschwister gehören zusammen. Familien gehören zusammen“,
sagte der Flüchtlingsbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Christian Stäblein, den Zeitungen der „Neuen Berliner Redaktionsgesellschaft“ (Dienstag). Stäblein und der
katholische Bischof Stefan Heße befürchten nach eigenen Worten negative Folgen für die Integration, sollte der Familiennachzug nicht mehr möglich sein. „Der Zusammenhang und Zusammenhalt der
Familie ist entscheidend für ein gutes Ankommen“, sagte Stäblein. Wer mit seinen Nächsten in Sicherheit leben dürfe, „findet schneller Halt, lernt leichter unsere Sprache, kann sich besser
integrieren und wird eher Teil unserer Gesellschaft“. Deswegen sei eine großzügige Regelung sinnvoll, sagte der Berliner Bischof. Heße, der in der Deutschen Bischofskonferenz für das Thema
Migration zuständig ist, sagte, Folge eines Stopps des Nachzugs werde sein, dass Bürgerkriegsflüchtlinge auf längere Zeit getrennt von ihren engsten Familienmitgliedern leben müssten. „Dies
ist in ethischer Hinsicht überaus fragwürdig und wirkt sich auch negativ auf die Integration aus“, sagte er. Das Grundgesetz stelle die Familie unter den besonderen Schutz der staatlichen
Ordnung. Dieses Versprechen müsse auch für schutzsuchende Familien gelten, sagte der Hamburger Bischof. GRÜNEN-POLITIKERIN NENNT VORHABEN „UNMORALISCH“ Scharfe Kritik kam auch von den
Grünen. „Die neue Bundesregierung setzt auf Symbolpolitik auf Kosten der Schwächsten und schreckt dabei auch vor klarem Rechtsbruch nicht zurück“, sagte die Grünen-Innenpolitikerin Schahina
Gambir. Die Aussetzung des Familiennachzugs stelle einen Verstoß gegen die Europäische Menschenrechtskonvention und die UN-Kinderrechtskonvention dar. „Diese Politik ist unmoralisch, sie
treibt einen Keil in den gesellschaftlichen Zusammenhalt“, so Gambir. Dobrindt hatte kurz nach dem Regierungswechsel mit verschärften Grenzkontrollen und Zurückweisungen von Asylbewerbern an
den Grenzen erste Vereinbarungen aus dem Koalitionsvertrag umgesetzt. Für die Union zählen die Maßnahmen zur Einschränkung des Zuzugs nach Deutschland zu den zentralen Vorhaben der neuen
Regierung. _(AFP/dpa/epd))_