
Germanisten-debatte: giordano glaubt nicht an jens' unwissenheit
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"Ich kann mir nicht vorstellen, dass einer sozusagen in diese Mitgliedschaft hineinrutscht und davon gar nichts weiß - das will mir nicht so richtig einleuchten", sagte Giordano,
80 ("Die Bertinis"), am Mittwoch im Deutschlandfunk. Dies ändere jedoch nichts an seiner Freundschaft mit Jens, der seit der gemeinsamen Hamburger Schulzeit immer zu ihm gehalten
habe. Nach der Veröffentlichung seiner NSDAP-Zugehörigkeit in dem im Dezember erscheinenden "Internationalen Germanistenlexikon 1800-1950" (de Gruyter, Berlin) hatte der 80-jährige
Jens erklärt, es gebe weder einen Antrag auf Mitgliedschaft noch eine Mitgliedskarte. Er habe ein "reines Gewissen und nichts zu verbergen", erklärte der Literaturwissenschaftler
am Dienstag gegenüber der dpa, es müsse sich um einen "reinen Karteivorgang" eines Jahrgangs der Hitlerjugend handeln. Laut einem Gutachten des Münchner Historikers Michael Buddrus
sei eine pauschale Überführung eines ganzen HJ-Jahrgangs in die Mitgliederkartei der NSDAP ohne Benachrichtigung der zukünftigen Mitglieder jedoch höchst unwahrscheinlich, berichtet die
"Süddeutsche Zeitung" am Mittwoch. Die Aufnahme in die nationalsozialistische Partei habe einen persönlich unterschriebenen Antrag erfordert, nach dessen Prüfung der Eintrag in die
Mitgliederkartei erfolgt sei. Eine Mitgliedschaft ohne schriftliche Zustimmung sei daher ausgeschlossen, so Buddrus. Laut Germanistenlexikon wurde Jens am 1. September 1942 in die NSDAP
aufgenommen. Die Parteizugehörigkeit galt gerade in den Kriegsjahren als Karriere fördernd. Bis 1945 zählte die Nazi-Partie 8,5 Millionen Mitglieder. Jens, Ehrenpräsident der Berliner
Akademie der Künste, hatte am Dienstag erklärt, kein Widerstandskämpfer gewesen zu sein: "Ich war in der Hitler-Jugend, ich war 19". Wenn er damals als Jugendlicher einen Fehler
gemacht haben sollte, dann habe er ihn "weiß Gott wieder gut gemacht". Er denke nicht daran, sich nach über 60 Jahren einem "Spruchkammer-Verfahren" zu stellen. Er werde
jedoch alles tun, um zu beweisen, dass es seinerzeit die Überführung von ganzen Jahrgängen der Hitler-Jugend und anderer Organisationen oder Teilen von ihnen gegeben habe, wofür es eine
Reihe von Zeugen gebe. Davon hätten "höchstens die Eliten der HJ etwas erfahren", so Jens. Niemand könne indes Irrtümer ausschließen. So räumte Jens ein, dass möglicherweise
"zum Beispiel auf einer großen Versammlung damals ein 'Generalwisch'" unterschrieben worden sein könnte. Er habe auch nie einen Mitgliedsbeitrag gezahlt. Der
Literaturwissenschaftler Jan-Philipp Reemtsma forderte Jens indirekt auf, sich seiner Vergangenheit zu stellen. "Das Bedrückende ist, wenn jemand nicht sagen kann, 'Herrgott
nochmal, ich war damals 18, 19 oder 21 Jahre alt ... und ich war ein Dummkopf, aber jetzt nicht mehr", sagte Reemtsma im Bayerischen Rundfunk. Der Germanist Peter Wapnewski, der in dem
Germanisten-Lexikon ebenfalls als NSDAP-Mitglied aufgeführt wird, bekannte unterdessen seine Zugehörigkeit. Sein damaliger Scharführer habe ihn 1938/39 zum Eintritt gedrängt, schrieb
Wapnewski in der "Zeit". "Erinnern kann ich mich an eine Zustimmung meinerseits nicht, aber es will mir nicht als erlaubt erscheinen, hier ein Versehen, ein Irrtum
verantwortlich zu machen". Eine Aufnahme sei ihm aber nie mitgeteilt worden.