
Meinung: lisa paus und die kindergrundsicherung: der sozialstaat richtet sich selbst zugrunde
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Abonnement lesen, weil er Ihnen geschenkt wurde. Vorweggeschickt sei: Der vernünftige Konservative ist kein Libertärer und auch kein Neoliberaler. Der vernünftige Konservative schätzt den
Sozialstaat, schließlich hat er ihn in Deutschland vor etwa 140 Jahren selbst erfunden. Der deutsche Sozialstaat ist nämlich im besten Sinne systemstabilisierend. Das heißt: Er _war_ es. Man
muss es zersetzendes Systemversagen nennen, wenn mehrere Millionen Kinder aus ärmeren Familien nicht alle Hilfe des Sozialstaats bekommen, auf die sie gesetzlich Anspruch haben. Familien
und Behörden scheitern: Die einen daran, das Geld zu beantragen, die anderen, es zuzuweisen. Indem er sich also den Bedürftigen de facto entzieht, frisst der Sozialstaat armer Leute Kinder.
Das System demaskiert sich, indem es sich selbst lähmt. Die sogenannte Kindergrundsicherung sollte darum spezifische Sozialleistungen bündeln sowie Verfahren vereinfachen und beschleunigen.
Nach allen Maßstäben war das ein_ _No-Brainer für die Ministerin: »Wir machen die Formulare einfacher oder den Ämtern Beine, damit Millionen der Schwächsten an ihr Geld kommen, und der
Finanzminister wird zahlen, was immer es kostet, weil die Ansprüche jetzt schon verbrieft sind«, so oder so ähnlich hätte ihr Claim lauten können, unschlagbar. Stattdessen sagt Frau Paus:
»Als Erstes brauchen wir eine neue Sozialbehörde mit 5000 neuen Sozialbeamten«. Das kommt mittlerweile selbst den Grünen ein wenig übertrieben vor. So macht man aus einem Elfmeter ein
Eigentor. Dass für die neue Behörde gleich die ersten 500 Millionen Euro (mindestens) draufgehen würden, ist das eine. Dass die später retuschierte Experteneinschätzung aus der Bundesagentur
für Arbeit zunächst kurz und knapp lautete: »nicht umsetzbar«, ist das andere. Vor allem aber: Ein System, das seine manifeste Verkomplizierung als Vereinfachung ausgeben will und seine
dysfunktionale Unberechenbarkeit als Fürsorge, gehört aus Sicherheitsgründen gesprengt. Tut mir leid. So grundsätzlich sollte man die Sache dieses Mal angehen. Und das ist es auch, was mir
am aktuellen Streit der Linken und Liberalen um den Sozialstaat ein bisschen Hoffnung macht: seine weltanschauliche Grundsätzlichkeit. Sind Sozialleistungen A) eine Bringschuld des Staates
oder B) eine Holschuld der Bedürftigen? Frau Paus von den Grünen sagt A). Herr Lindner von der FDP sagt B). Und weil es hier vermutlich sozial unerwünscht ist, sage ich es noch ein bisschen
deutlicher: Christian Lindner hat zu einhundert Prozent recht – weshalb der Juso-Chef ihm prompt vorwarf, arme Kinder seien der FDP »egal«. Was ein junger Mann mit Moralkeule so raushaut,
wenn er blank ist und in der Defensive. > Geradezu verstörend, wie oft die #FDP in Sozial- und Finanzfragen > zuletzt Recht hat. Und wie wenig es ihr nutzt und sie daraus macht. >
#Lindner #Paus #Kindergrundsicherung Neue Folge podcast. @RTL_com > https://t.co/kAo0tfbzRX > — Nikolaus Blome (@NikolausBlome) April 5, 2024 An dieser Stelle finden Sie einen externen
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Datenschutzerklärung Der Staat schuldet den Bedürftigen niederschwellige Zugänglichkeit, aber kein Hinterherlaufen. Der Staat soll niemandes Nanny sein, denn die Leute sind erwachsen,
weshalb sie sich um ihre und die Ansprüche ihrer Kinder an die Solidargemeinschaft bitte selbst kümmern mögen. Wer das nicht will, der hat wohl schon, würde ich sagen. Und wer unverschuldet
dazu nicht in der Lage ist, dem sollten die Behörden von Fall zu Fall helfen. Gleichwohl sollte der Staat seine allgemeinen Regeln nicht pauschal an solchen Fürsorgefällen ausrichten. Teilen
Sie uns Ihre Meinung mit! Vor allem Linke und Grüne sehen das ganz anders. Sie streben danach, die Beziehung zwischen Leistungsbehörde und Leistungsempfänger »auf Augenhöhe« zu bringen,
mithin zu verstetigen. Selbstverständlich sollen Behörden Bedürftige nicht schikanieren. Der in diesem Moment Schwächere, weil Bedürftige, hat Anspruch auf Respekt. Ihn indes zu einem
Gleichstarken hochzujazzen, macht linken Gesellschaftsklempnern vielleicht ein besseres Gewissen, aber verändert die Lage nicht: Es bleibt ein Gefälle zwischen denen, die zeitweilig das Geld
der anderen brauchen, und jenen, die es verteilen und darüber rechenschaftspflichtig Buch führen müssen. Die Sozialdemokraten mögen die gute alte »Stütze« also hundertmal in »Bürgergeld«
umrubeln: Wenn bürgerliche Maßstäbe in diesem Land noch etwas gelten, kann so ein Gang zum Sozialamt niemals etwas völlig Normales, »auf Augenhöhe«, sein. Es hat doch einen Grund, warum fast
vier Fünftel der Deutschen jüngst in einer RTL/ntv-Umfrage sagten, sie fänden es »grundsätzlich richtig«, würden die Bedingungen für den Erhalt der Bürgergelds »verschärft«. In
Ostdeutschland waren es übrigens fast neun Zehntel. Inzwischen existieren 173 verschiedene Sozialleistungen und 29 verschieden zuständige Behörden, hat der SPIEGEL vor einiger Zeit
ermittelt. Soll das ewig weiterwachsen, oder ist der Streit um die Kindergrundsicherung der Moment der Umkehr? Und könnte man sich als Erstes wenigstens hierauf einigen: Das Ziel aller
Bemühungen muss stets sein, die Leute so schnell wie möglich aus dem Sozialsystem zu verabschieden, aber nicht, sie langfristig zu betreuen. Andernfalls droht dem deutschen Sozialstaat
alsbald eine Art von »imperial overstretch«. Und daran ist sogar schon das Römische Reich zugrunde gegangen.