Schalker fehlstart: schönredner in höchster not

Schalker fehlstart: schönredner in höchster not


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Hoffenheim haben sie ein ziemlich drastisches Mittel, um der unterlegenen Mannschaft klar zu machen, dass ihr die Zeit wegläuft. Drei Mal, nach 80, nach 85 und nach 90 Minuten ertönt ein


Geräusch, das so klingt, als klopfe ein verhaltensgestörtes Kind in höchster Wut auf einen Bambusstab. Der Krach soll Fans und Spieler dazu bringen, in der Schlussphase noch einmal alles zu


geben. Am Freitagabend gelang das: Beide Fankurven schrien ihre Teams nach vorn, Gastgeber Hoffenheim rannte sich die Lunge aus dem Leib, zeigte ein paar blitzschnelle Spielzüge und schoss


sogar noch ein Tor. Und auch Schalke zeigte noch einmal, was es derzeit draufhat. Das ist allerdings nicht viel. Deshalb verlor Schalke hochverdient 0:2 (0:1) gegen eine Hoffenheimer


Mannschaft , die nach drei Spielen neun Punkte hat und ihr Publikum begeistert nach Hause fahren ließ. Als das dezibelstarke Klopfen zum dritten Mal ertönte und der Stadionsprecher zwei


Minuten Nachspielzeit ankündigte, kaute Schalke-Trainer Felix Magath bereits mit resigniertem Blick an seinen Fingernägeln. Kurz darauf erzielte Sejad Salihovic mit einem kuriosen


Freistoßtor das 2:0 - offiziell wurde es dem Schalker Torwart Manuel Neuer als Eigentor zugeschrieben. Doch schon lange zuvor war klar, dass nur eine Mannschaft den Platz als Sieger


verlassen würde. Und diese Mannschaft würde nicht die mit der kläglichen Abwehr, dem wirren Spielaufbau und den zusehends schwindenden Kräften sein. MAGATH VERSUCHT SICH ALS SCHÖNREDNER


Humorlose Menschen empfanden es deswegen vielleicht sogar als dreist, dass Magath nach dem Spiel behauptete, er habe eine "gute Partie" seines Teams gesehen und sei deshalb


"zufrieden mit dem Spiel." Man muss diesen strengen Menschen zur Nachsicht raten. Schließlich ist Magath im Normalfall ein Trainer, der schlechte Leistungen eben nicht schönredet.


Wenn er es dennoch tut, muss die Not schon sehr groß sein. Natürlich weiß Felix Magath, dass seine Mannschaft ein erschütternd schlechtes Spiel gezeigt hat, das es die dritte Pleite am


dritten Spieltag ist, dass null von neun möglichen Punkten schon bei einem Abstiegskandidaten für hellen Aufruhr sorgen würden. Bei einem amtierenden Vizemeister ist eine solche Ausbeute


nichts weniger als ein Alptraum. Magath kann mildernde Umstände geltend machen. Die Notlüge ist schließlich die ungleich sympathischere Schwester der Lüge. Sie kommt zum Einsatz, um ein


höheres Gut zu schützen. Magath weiß, dass sein verunsichertes Team im Moment nichts weniger braucht als zusätzlichen Druck. Deshalb redet er es stark - und weil er weiß, dass er kurzfristig


kaum noch andere Möglichkeiten hat, um die Wende herbeizuführen. Noch ein, zwei Trainingseinheiten, dann geht es am Dienstag in der Champions League gegen Lyon. Am kommenden Sonntag wartet


der BVB auf den gebeutelten Derbygegner. Der Lokalrivale. Auch das noch. SCHALKE HAT BEI EINKÄUFEN DIE DEFENSIVE ZU WENIG BEACHTET Intern dürfte Magath umso heftiger ansprechen, was am


Freitag im Argen lag. Dass es schlicht indiskutabel ist, wenn eine vermeintliche Spitzenmannschaft acht, neun hervorragende Torchancen des Gegners zulässt. Und dabei auch noch alle


Fehlerquellen einbezieht, die das Lehrbuch kennt: Stellungsfehler, Fehlpässe, dilettantisches Zweikampfverhalten. Beim ersten Hoffenheimer Treffer durch Isaac Vorsah war die Zuordnung zum


Gegenspieler so zwingend wie die Zuordnung zum Ehepartner in einem Swingerclub. Dass Christoph Metzelder, der als Abwehrchef geholt wurde, schon im dritten Bundesligaspiel von der


verantwortungsvollen Innenverteidiger- auf die ungewohnte Außenposition gezogen wurde, ist eine Ohrfeige für den einstigen Nationalspieler. Umso mehr, als er dort bis zu seiner angeblich


verletzungsbedingten Auswechslung erneut einer der schwächsten Spieler auf dem Platz war. Da das auch für Hans Sarpei auf der linken Außenbahn galt, kombinierte sich Hoffenheims Offensive


ungeniert in Richtung Schalker Tor. Magath ist mit seinen Spielerkäufen ein hohes Risiko eingegangen. Er hat vor allem in die Offensive investiert. Das scheint ein Fehler gewesen zu sein.


Hoffenheims Trainer Ralf Rangnick hat seine Spieler offenbar in der Vorbereitung auf das Spiel genau darauf hingewiesen, wie Hoffenheims Andreas Beck verklausuliert zugab, als er gefragt


wurde, welche Schwächen der Schalker man im Vorfeld angesprochen habe. "Der Trainer hat gesagt, wir sollen unsere Stärken ausspielen, die liegen im Angriff." Anders gesagt: Die


Schwächen der Schalker liegen in der Defensive. Die besteht zu allem Unglück aus zu vielen zu langsamen Spielern. Felix Magath ist in den nächsten Tagen weiter als Pädagoge gefragt - nicht


unbedingt die Lieblingsdisziplin des gestrengen Trainers. Er wird sein Team weiter stark reden müssen. Schalke hat in Neuer einen exzellenten Keeper, die Stärken liegen im Angriff, wo


Klaas-Jan Huntelaar ein ordentliches Debüt gab. Beim Rest helfen einstweilen nur Notlügen.