Steigende zahl von messerangriffen: wir müssen ursachen behandeln, nicht nur symptome

Steigende zahl von messerangriffen: wir müssen ursachen behandeln, nicht nur symptome


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Deutschland hat ein Messerproblem, das muss spätestens jetzt klar sein. Um ihm zu begegnen, überbietet sich die Politik mit markigen Forderungen. Doch diese werden nicht helfen. Deutschland


hat ein Messerproblem, das muss spätestens jetzt klar sein. 18 Menschen wurden am Freitagabend am Hamburger Hauptbahnhof teils äußerst schwer verletzt. Schon wieder. Es ist die dritte


Bluttat innerhalb weniger Tage, bei der ein Messer zum Einsatz kam. Es muss also dringend etwas passieren. Nur was? Teile der Politik überbieten sich derzeit mit markigen Forderungen. Von


der AfD und auch der Union wird die Migration für den Anstieg verantwortlich gemacht, Messerkriminalität sei „importierte Kriminalität“. SPD und Grüne fordern hingegen mehr und strengere


Messerverbotszonen. Das ist einerseits verständlich. Um fast elf Prozent ist der Anteil an Gewaltverbrechen mit Messern laut polizeilicher Kriminalstatistik allein im letzten Jahr gestiegen.


38 Prozent der Deutschen fühlen sich laut Umfragen im öffentlichen Raum nicht mehr sicher. KRIMINALITÄT HAT SOZIALE URSACHEN Das ist dramatisch, doch Law-and-Order-Ansätze führen am


eigentlichen Problem vorbei. Dass etwa Verbotszonen wenig bringen, zeigte traurigerweise die Tat von Hamburg, sie fand nämlich mitten in einer solchen statt. Und es war auch die Hansestadt,


die 2016 feststellen musste, dass nach neun Jahren Waffenverbotszonen auf Reeperbahn und Hansaplatz die Anzahl an Straftaten nicht zurückgegangen war – im Gegenteil. Wenn jemand gezielt


Menschen verletzen will, aus welchen Gründen auch immer, ein Schild hält ihn oder sie wohl kaum davon ab. Zumal es bei der Polizei an Personal mangelt, das ein solches Verbot konsequent


durchsetzen könnte. Kriminalität habe fast immer soziale Ursachen, sagt der Kriminologe Stefan Kersting. Das heißt, man muss ihr auch auf dieser Ebene begegnen. Und da ist die Diagnose klar:


Wir leben in Zeiten sozialer Härte, wachsender Ungleichheit, gesellschaftlicher Polarisierung und sprachlicher Enthemmung. Wer einmal in den Kommentarspalten im Internet unterwegs war, darf


sich nicht darüber wundern, dass die Gewalt auf deutschen Straßen zunimmt. Wer einmal den Zwischenrufen der AfD im Bundestag gelauscht hat, nicht darüber, dass der Respekt vor anderen


abnimmt. Und wer jemandem wie Donald Trump zuhört, darf sich nicht wundern, wenn Hasskriminalität steigt. Aus Schülerbefragungen weiß man, dass vor allem junge Menschen zunehmend Messer bei


sich tragen, um sich vor möglichen Angriffen zu schützen. Nicht aus Lust an der Gewalt, sondern aus Angst. Das ist kein Zufall. Sicher, jeder Fall ist anders und nichts entschuldigt eine


Tat. Dafür ist der Täter oder die Täterin allein verantwortlich – und bleibt es. Dennoch lässt sich das Messerproblem nicht mit Restriktion in den Griff bekommen, sondern nur durch


Prävention. Dazu zählt einerseits, das subjektive Sicherheitsgefühl durch mehr Polizeipräsenz zu erhöhen. Es braucht aber ebenso eine Stärkung der öffentlichen Infrastruktur, also von


Bildung, Aufklärung, Jugendeinrichtungen und niedrigschwelligen Therapieangeboten. Kurzum: Eine Politik, die glaubhaft Teilhabe für alle verspricht. Zugegeben, das klingt weniger tatkräftig


als vermeintlich harte Maßnahmen. Aber diese behandeln letztlich nur die Symptome, nicht die Ursachen.