Federal reserve erhöht leitzins: mit einem satz eine ära beendet

Federal reserve erhöht leitzins: mit einem satz eine ära beendet


Play all audios:


------------------------- * * X.com * Facebook * E-Mail * * * X.com * Facebook * E-Mail * Messenger * WhatsApp * Dieser Beitrag stammt aus dem SPIEGEL-Archiv. Warum ist das wichtig? Ein Satz


bewegt die Welt. "Der Offenmarktausschuss der Federal Reserve Bank", sagt Janet Yellen, "hat beschlossen, den Leitzins zu erhöhen." Es ist der allererste Satz, den die


US-Notenbankchefin ausspricht, als sie sich in Washington vor die Kameras setzt. Und für viele ist es der einzige Satz, der zählt: Endlich ist sie da, die lange erwartete US-Zinswende. Die


jüngste Banker-Generation, an der Wall Street wie anderswo, kennt die "Zeit davor" schon gar nicht mehr. Seit Dezember 2008 lag der US-Leitzins bei null - oder, um exakt zu sein:


zwischen 0 und 0,25 Prozent. Zuletzt erhöht hatte die Fed die Zinsen vor fast zehn Jahren. Die Umkehr bedeutet zunächst zwar nur eine minimale Erhöhung (auf eine Spanne zwischen 0,25 und


0,50 Prozent) - doch Reaktionen kommen bereits aus aller Welt, die Folgen sind bereits zu spüren. "Die Zinsanhebung markiert das offizielle Ende der globalen Finanzkrise für die USA und


bildet den Auftakt zu einer Normalisierung der amerikanischen Geldpolitik", freut sich David Folkerts-Landau, der Chefvolkswirt der Deutschen Bank. Sie sei "längst


überfällig" gewesen. Dabei war es das am schlechtesten gehütete Geheimnis des Monats. Schon Anfang Dezember deutete Yellen vor dem US-Kongress an, in erfrischend verständlicher Sprache


übrigens, dass sich die Konjunktur nunmehr soweit gefangen habe, um ohne Stützräder fahren zu können. WIE DIE NULLZINSPOLITIK DER FED FUNKTIONIERTE Damit endet nicht nur die Ära der


Nullzinsen. Sondern auch eine "außerordentliche Periode", wie es Yellen formuliert, in der sich die US-Notenbank gezwungen sah, ein verzweifeltes, bis dahin unerprobtes Experiment


zu riskieren: Um die Weltwirtschaft aus dem Morast zu ziehen, pumpte sie Billigdollars ins globale Geldgebläse. Mit durchwachsenen Resultaten: Weder führte das Wagnis zum endgültigen


Kollaps, wie Kritiker orakelt hatten, noch zum erhofften Instant-Boom. Stattdessen erholte sich die US-Konjunktur nur hüstelnd, und die Fed, erst unter Ben Bernanke, dann unter Janet Yellen,


erkannte die Grenzen ihrer Macht - und ihrer Glaubwürdigkeit. Erstmals sah sie sich mit einem völlig ungewohnten Phänomen konfrontiert: Ohnmacht. Es war eine historische Sinnkrise für die


Herren und die paar Damen von der US-Notenbank. "Eine Phase großer Ungewissheit und Unsicherheit für die Fed", gab Yellens Vorgänger Bernanke im "Wall Street Journal" zu.


Weshalb es nun doch nicht nur auf die reine Nachricht ankam, diesen einen, ersten Satz - sondern auf die Details: Wie genau würde die Zentralbank den delikaten Umschwung bewerkstelligen?


Schließlich stecken hinter dem Schlagwort "Zinserhöhung" enorm komplexe und in diesem Fall ebenfalls noch unerprobte Mechanismen. (Hier finden Sie die Hintergründe, wie Zinsen sich


auf die Wirtschaft auswirken.) WIE DIE FED IHRE GELDPOLITIK MACHT Normalerweise steuert die Fed die Zinsen, indem sie selbst über ihren Tradingdesk Schatzpapiere an- und verkauft. Doch das


allein reicht nun nicht mehr, es könnte das nervöse System sogar aus dem Lot bringen. Stattdessen manipuliert die Fed die Leitzinsen diesmal lieber auch über den Preis, den sie den Banken


für ihre Reserven berechnet - quasi eine gedämpfte Zinserhöhung durch die Hintertür. Diesen Schongang offenbart auch das Statement, das die Fed dem mit Spannung erwarteten Auftritt Yellens


voranschickt. Mit bemühtem Vokabular erklärt sie sich darin - und warnt, dass man weiter bremsen werde: Die Lage rechtfertigte erst mal "eine nur graduelle Anhebung". Yellen


spricht von einer "bescheidenen", bewusst nicht "abrupten" Intervention: Langfristig würden die Zinsen künstlich niedrig bleiben. WIE SICH DIE NEUE FED-ENTSCHEIDUNG


AUSWIRKT "Der wirtschaftliche Aufschwung ist weit gekommen", sagt Yellen - doch sie fügt sofort hinzu: "Er ist weit davon entfernt, vollbracht zu sein." Sie nennt den


US-Arbeitsmarkt, der ein "anhaltendes Wachstum" immer noch vermissen lasse, trotz annähernder Vollbeschäftigung. Anderswo gehe es besser voran, etwa in der Kfz-Branche: "Mit


schrittweisen Anpassungen wird die wirtschaftliche Aktivität in moderatem Maß wachsen." Sprich: So schnell werden die Zinsen nicht weiter ansteigen. Was heißt das nun in der Praxis?


Schulden und Kredite werden theoretisch teurer. Für die Banken und - wenn auch nicht ganz so automatisch - für deren Kunden, auf die sie die Kosten abwälzen. Die dürften das aber frühestens


Ende nächsten Jahres zu spüren bekommen, zum Beispiel bei Kreditkarten, Hypotheken, Autokrediten. Weitreichender sind die globalen Folgen. Das US-Billiggeld führte ja auch dazu, dass sich


vor allem Schwellenländer immer höher verschuldeten. Diese Rechnung wird nun schmerzhaft fällig werden. Noch etwas droht: Bei ihrer Pressekonferenz beziffert Yellen die Chancen eines neuen,


"unerwarteten Schocks" für die Konjunktur und, schlimmstenfalls, einer "neuen Rezession" auf "zehn Prozent". Kein Wunder, dass mehr als die Hälfte der Ökonomen,


die das "Wall Street Journal"  befragte, eine Prognose wagten: Spätestens in fünf Jahren würden die Zinsen wieder auf null sein.