
Der riese der afrikanischen literatur: der schriftsteller ngugi wa thiong'o ist mit 87 jahren verstorben
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Er wurde verfolgt, eingesperrt, mit dem Tode bedroht. Doch Ngugi wa Thiong'o ließ sich nicht zum Schweigen bringen. Seine Bücher waren Kritik an Fremdherrschaft und Diktatoren in
Afrika. Weder Gefängnis noch Todesdrohungen hielten den kenianischen Schriftsteller Ngugi wa Thiong'o davon ab, die Vergangenheit aufzuarbeiten und politische Missstände anzuprangern.
Als er Ende 1977 nach der Aufführung eines Regime-kritischen Theaterstücks festgenommen wurde, schrieb er seinen nächsten Roman in der Zelle auf dem einzigen zur Verfügung stehenden
Material: Toilettenpapier. Der Mann von der Volksgruppe der Kikuyu galt als Riese der afrikanischen Literatur und eine der wichtigsten Stimmen des Kontinents. Die ist nun verstummt: Der
Schriftsteller starb am Mittwoch im Alter von 87 Jahren im US-Bundesstaat Georgia, wo er seit vielen Jahren lebte, wie eine Sprecherin seines kenianischen Verlags East African Educational
Publishing am Donnerstag bestätigte. Seine Werke wurden in mehr als 50 Sprachen übersetzt. SCHRIFTSTELLER INSPIRIERTE GENERATIONEN VON LESERN In ersten Reaktionen auf sozialen Medien
würdigten Leser und Verlage ihn unter anderem als furchtlose Stimme, die Generationen geprägt habe. Der Schriftsteller habe gezeigt, dass die besten afrikanischen Geschichten von Afrikanern
selbst erzählt würden. Thiong´o habe Generationen von Afrikanern zum Kampf für Gerechtigkeit inspiriert, schrieb der ugandische Musiker und Oppositionspolitiker Bobi Wine. Mit seinen Werken
habe Thiong´o daran erinnert, dass Sprache eine Form von Macht und das Erzählen von Geschichten Befreiung seien, schrieb einer seiner Verlage in einer Würdigung auf der Plattform X, wo
viele den Autor mit dem revolutionären Gruß „Rest in Power“ verabschiedeten. Empfohlener redaktioneller Inhalt An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten,
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ALS WAFFE GEGEN AUSBEUTUNG AFRIKAS Schon lange war der Verfasser von Romanen wie „Herr der Krähen“, dem Essayband „Dekolonisierung des Denkens“ oder dem autobiografischen Werk „Träume in
Zeiten des Krieges“ ein einflussreicher Autor Afrikas. Das war schon allein deswegen bemerkenswert, weil er mehrere seiner Romane in seiner Muttersprache Kikuyu schrieb und nicht wie andere
afrikanische Autoren in der Sprache der einstigen Kolonialherren, auch wenn das den Zugang zum internationalen Buchmarkt erleichtert. Sein Hauptthema war die Ausbeutung Afrikas, früher
durch die Kolonialisten, dann durch andere Mächte. Das Schreiben waren seine Waffe und seine Protestform in der letzten Phase der Kolonialherrschaft. SCHRIFTSTELLER IM EXIL Die scharfe
Kritik an den britischen Kolonialherren, aber auch an der damaligen kenianischen Regierung von Präsident Daniel arap Moi brachten dem Schriftsteller immer wieder Ärger mit den Behörden ein.
Moi, der von 1978 bis 2002 an der Macht war, hatte Ngugi nicht nur ins Gefängnis werfen lassen, sondern sorgte auch dafür, dass er anschließend keine Lehraufträge an kenianischen
Universitäten mehr erhielt. 1982 ging er ins Exil - zunächst nach London, später in die USA. In Simbabwe entging er 1986 knapp dem Tod, als Sicherheitskräfte vor seinem Hotel ein
Mordkommando entlarvten. Als Kind hieß der im zentralkenianischen Limuru geborene Autor noch James Ngugi. Er fand den Namen allerdings zu britisch-kolonial und änderte ihn 1976. Sein erster
Roman „Weep Not, Child“ (1964), der international gefeiert wurde, kam unter seinem Jugendnamen heraus. Ngugi befasst sich darin mit dem 1952 ausgebrochenen antikolonialen
Unabhängigkeitsaufstand gegen Großbritannien (Mau-Mau-Krieg). Es war auch ein persönliches Thema für den Autor: Sein Vater gehörte zu jenen Kenianern, die von den weißen Siedlern von ihrem
Land vertrieben wurden. Der junge Ngugi verlor bei den Kämpfen mehrere Geschwister. KÄMPFER FÜR BEWAHRUNG AFRIKANISCHER MUTTERSPRACHEN Leidenschaftlich stritt er für die Bewahrung der
Muttersprachen in Afrika - auch wenn es allein in seiner Heimat Kenia 42 Sprachen gibt und die Amtssprachen Kisuaheli und Englisch über ethnische Grenzen hinweg die Kommunikation
ermöglichen. Die Vorstellungen, dass etwa regionale Entwicklungen wie nigerianisches oder kenianisches Englisch eigene Identität schaffen, wies er in einem Interview energisch zurück.
„Sprache ist ein Kriegsgebiet“, betonte er in einem anderen. „Wo immer man in moderner Kolonialgeschichte hinblickt, gründete der Zugang zur Sprache des Kolonialherrn auf dem Tod der
Sprachen der Kolonisierten.“ NUR LITERATURNOBELPREIS BLIEB THIONG´O VERSAGT Dass er zwar immer wieder für den Literaturnobelpreis im Gespräch war, die Auszeichnung aber nie erhielt, war ihm
dagegen nicht so wichtig: „Ich wäre glücklich gewesen, wenn ich ihn erhalten hätte, aber ich schreibe nicht für Preise.“ Er freue sich, wenn Leser ihm erzählten, dass seine Bücher sie
geprägt hätten - damit sei er doch eine Art „Nobelpreisträger der Herzen“. _(dpa)_